Türkei-Delegation: Europaminister zieht Bilanz
Türkei-Besuch ist Teil der neuen Internationalisierungsstrategie des Landes. Manfred Pentz: „Neue Chancen gesucht und gefunden.“
Europaminister Manfred Pentz hat am 20. Juli 2024 seine 4-tägige Delegation in die Türkei beendet. Auf dem Programm standen politische Gespräche in Istanbul und ein Besuch der hessischen Partnerregion Bursa. Begleitet wurde er von Abgeordneten aller Fraktionen des Hessischen Landtages sowie von Dr. Rainer Waldschmidt, Geschäftsführer der hessischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hessen Trade & Invest GmbH. Seit 21. Oktober 2010 unterhält Hessen mit der türkischen Region Bursa eine Partnerschaft.
Zurück in Wiesbaden zog der Minister eine erste Bilanz: „Ich bin in die Türkei gereist, um neue Chancen für unsere Partnerschaft zu finden. Kulturell, menschlich, aber auch gerne im Bereich der hessischen und türkischen Wirtschaft. Diese neuen Chancen habe ich gefunden. Bei vielen Gesprächen hatte ich das Gefühl, einen alten Freund wiederzutreffen, mit dem man die Zukunft planen kann. Beide Seiten haben ein Interesse an dem Ausbau der Beziehungen und dies werden wir in den nächsten Jahren auch mit viel Engagement betreiben.“
Während des Besuchs traf die hessische Delegation mit Politikern, Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft sowie der politischen Stiftungen zusammen. Neben Gesprächen mit Abgeordneten der Regierungspartei und der Opposition stand auch ein Gespräch mit Akif Çağatay Kılıç, dem Chefberater für Außen- und Sicherheitspolitik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, auf dem Programm. Kılıç ist in Deutschland geboren und ein ausgesprochener Kenner der deutsch-türkischen Beziehungen. In der Hessischen Partnerregion traf sich die Delegation mit dem Gouverneur von Bursa, Mahmut Demirtaş, dem Oberbürgermeister von Bursa, Mustafa Bozbey, sowie dem Bürgermeister von Osmangazi, Erkan Aydın.
Staatsminister Manfred Pentz betonte in diesem Zusammenhang die Bemühungen des Landes, sich internationaler aufzustellen. „Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir Hessen internationaler aufstellen werden. Wir sind in vielen Bereichen bereits ein internationaler Standort, nicht zuletzt wegen des Finanzplatzes Frankfurt am Main und eines der größten Flughäfen in Kontinentaleuropa. Doch diese Internationalität spiegelt sich noch nicht in der Welt wieder. Für ein Land mit unseren wirtschaftlichen und politischen Ambitionen sind wir noch zu wenig in den Zukunftsmärkten präsent. Wir verlassen uns in Brüssel nicht allein darauf, dass die Bundesregierung unsere speziellen Interessen in der EU wahrt. Warum sollten wir dies also in anderen Regionen tun? Dies gilt nicht nur für die dynamische Wirtschaft in der Türkei, sondern auch in Afrika und anderen Regionen der Welt. Wo es passt, können wir zum Beispiel durch Kooperationen gemeinsame Ziele in Zukunftsmärkten verfolgen und unsere heimische Wirtschaft dabei unterstützen, diese zu erschließen und neue Chancen zu nutzen.“
„Wir haben gemeinsame wirtschaftliche Interessen und wir müssen diese gerade mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland stärker betonen. Die Reise hatte also auch den Zweck, dass weitere hessische und türkische Unternehmen von unserer Regionalpartnerschaft profitieren. Die Hessen Trade & Invest GmbH, die die Delegation begleitet hat, ist für diese Fragen jetzt Ansprechpartner und Unterstützer für hessische Unternehmen.“
Der Minister ordnete in seiner Bilanz auch das deutsch-türkische Verhältnis ein. „In Deutschland leben etwa 3 Millionen türkischstämmige Bürgerinnen und Bürger, über 300.000 davon in Hessen. Das bedeutet, dass es sehr viele zwischenmenschliche Verbindungen und einen intensiven Austausch gibt. Diese Vertrautheit, diese tiefe und lange Verbindung untereinander, wollen wir mit neuem Lebensgeist ausstatten. Dazu gehört natürlich auch, die schwierigen Themen nicht auszuklammern. Viele Menschen in der Türkei haben persönliche Beziehungen nach Deutschland. In unseren Gesprächen kam immer wieder die Sorge zum Ausdruck, dass sich das politische Klima in Deutschland verschlechtert habe. Die Sorge sei groß, dass türkische, aber auch andere Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund, sich in Deutschland nicht mehr sicher fühlen könnten. Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen. Es gehört auch zur Internationalisierungsstrategie unseres Landes, dass wir ein weltoffener Standort bleiben. Die Grundvoraussetzung dafür ist, dass sich die Menschen, die hier leben und arbeiten sich wohl und sicher fühlen. Dies gilt im Übrigen auch andersherum. In den Gesprächen habe ich deshalb auch die politische Situation in der Türkei angesprochen. Das gehört einfach zu einer starken Freundschaft. Wir klammern keine schwierigen Themen aus.“
Hintergrund
Die Abgeordneten des Hessischen Landtages Kim-Sarah Speer (CDU, Mitglied im Europaausschuss), Yanki Pürsün (FDP, stellv. Fraktionsvorsitzender), Oliver Ulloth (SPD, Vorsitzender des Petitionsausschusses), Felix Martin (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, Mitglied im Arbeits- und Sozialpolitischen Ausschuss) sowie die Vorsitzende des EU-Ausschusses, Anna Nguyen, und das Mitglied im Hauptausschuss, Olaf Schwaier, (beide AfD) begleiteten den Europaminister.
Die Provinz Bursa liegt 90 km südlich von Istanbul und zu Füßen des Uludağ-Gebirges, das früher den Namen Bithynischer Olymp trug. Die Provinz ist nach der gleichnamigen Hauptstadt Bursa benannt, die, mit einer Einwohnerzahl von rund 3 Millionen, die viertgrößte Stadt der Türkei ist. Im Ranking der wirtschaftsstärksten Regionen in der Türkei liegt Bursa auf Platz 4, hinter Istanbul, Ankara und Izmir. In Bursa sind rund 400 ausländische Unternehmen angesiedelt, die Metropolregion ist Zentrum der Automobil- und Automobilzulieferindustrie. Weitere wichtige Bereiche sind die Stahl- und Textilindustrie, der Maschinenbau, die Nahrungs- und Getränkeindustrie und der Obstanbau. Insgesamt gibt es 81 Provinzen in der Türkei, denen jeweils ein Gouverneur als Vertreter der Zentralregierung vorsteht. Seit dem 20. August 2023 ist Mahmut Demirtaş Gouverneur von Bursa. Der Oberbürgermeister von Bursa, Mustafa Bozbey, ist seit dem 5. April 2024 im Amt.